Repertoire
Die 1750er bis 1770er Jahre sind eine äußerst spannende Zeit: wir befinden uns an der Wiege des Streichquartetts als eigener Instrumentalgattung. Wir sind immer wieder fasziniert von der Experimentierfreude, mit der viele Komponist*innen die neue Formation aus vier Streichinstrumenten ohne continuo mit musikalischem Leben erfüllen. Noch ist formal vieles möglich – die Anzahl der Sätze variiert, ebenso die Rollen, die die einzelnen Instrumente einnehmen: mal führen sie eine höfliche Konversation, mal eine hitzige Debatte, oft geht es zwischen Geigen, Bratsche und Cello erstaunlich gleichberechtigt zu. In Wien liebt man die Fuge, in Italien wähnt man sich in jedem zweiten Satz auf einer Opernbühne, und die Mannheimer Komponisten zünden auch in den Streichquartetten ihre Raketen. Viele Namen kennt man heute kaum mehr.
Unser Anliegen ist es, neben Streichquartetten berühmter Komponist*innen wie Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart auch die in Vergessenheit geratenen Werke weniger bekannter Meister*innen zu präsentieren. Auf unseren Streifzügen durch Archive und Bibliotheken stoßen wir immer wieder auf spannende Raritäten, die wir als Meilensteine in der Entwicklung der Gattung betrachten.
Juta Pranulytė (*1993):
Pantone 702c and some other tones
Mit der Idee, eine musikalische Brücke zwischen dem 18. und 21. Jahrhundert zu schlagen, komponierte 2024 die litauisch-österreichische Komponistin Juta Pranulytė ein Auftragswerk für uns. Das Streichquartett Pantone 702c and some other tones wurde am 4. August 2024 im Rahmen der Donaufestwochen Strudengau im Schloss Dornach uraufgeführt.
Pantone 702c and some other tones ist eine Palette von Harmonien, eine Galerie von Klangfarben. Jede Harmonie ist lebendig – sie schwingt. Zwei Klänge reagieren aufeinander und führen, wenn sie nicht perfekt harmonieren, zu inneren Schwingungen. Das Innenleben des Klangs verändert sich jedes Mal, die Töne zeigen sich in verschiedenen Schattierungen. Die Komponistin lädt das Publikum ein, auf die Palette der Klänge zu lauschen – sei es eine einzelne Tonhöhe oder eine intensive Textur. Das Werk basiert auf dem exakten Quintenzirkel, der etwas größer ist als unsere temperierten Quinten. Sein Kreis schließt sich nicht. Jeder Schritt (Umkehrung) schafft neue Frequenzbeziehungen und damit innere rhythmische Schwingungen. Jede Harmonie ist eine Farbe.
Juta Pranulytė ist freischaffende Komponistin und Kuratorin der Neue Musik. Sie studierte Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, am Royal Conservatoire of Scotland und an der University of Melbourne sowie Kunstgeschichte und Theorie an der Vilnius Academy of the Arts. Frühere Werke wurden unter anderem vom BBC Scottish Symphony Orchestra, vom Orchestre Philharmonique de Nice, von Apartment House und dem Chor Les Métaboles an Spielstätten wie der Deutschen Oper Berlin (als Gewinnerin des Kompositionswettbewerbs NEUE SZENEN VI) und der Wigmore Hall in London uraufgeführt. Zu den wichtigsten Künstlerresidenzen und Akademien gehören die Residenz "Young Women Opera Makers" an der Académie du Festival d'Aix, die Akademie Musiktheater Heute (AMH) der Deutsche Bank Stiftung, Hållnäs Konstkoloni (Schweden) und "Paroles et musique" an der Opéra Orchestre National Montpellier.